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Zusammenfassung Heft 28

 

Freiburger Bodenkundliche Abhandlungen

Schriftenreihe des

Institut für Bodenkunde und Waldernährungslehre
der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg i.Br.
Schriftleitung: F. Hädrich


Heft 28


Reinhard F. Hüttl

Die Nährelementversorgung geschädigter Wälder in Europa und Nordamerika


Freiburg im Breisgau 1991

ISSN 0344-2691


Zusammenfassung:

Im Zusammenhang mit den sogenannten neuartigen Waldschäden wurden von Anfang an. Ernährungsstörungen als symptomatische Befunde diskutiert. In der vorliegenden Arbeit werden die Beziehungen zwischen der Nährelementversorgung und den neuartigen Waldschäden in Europa und Nordamerika mit Hilfe von Fallstudien differenziert dargestellt. Des weiteren werden Erklärungsansätze erörtert, diagnostische Hilfsmittel geprüft und Abhilfemaßnahmen vorgestellt.
Die zur Charakterisierung des Ausmaßes sowie der zeitlichen Entwicklung und räumlichen Verteilung der Schäden jährlich in Europa praktizierten Waldschadensinventuren, die im wesentlichen auf der Erfassung unspezifischer Nadel-/Blattverluste basieren, erlauben keine adäquaten Aussagen über den tatsächlichen Gesundheits- (= Vitalitäts-)Zustand der Bäume/Bestände. Viele der als neu eingestuften Schadensmerkmale sind seit langem bekannt oder lassen sich mit natürlichen Ursachen erklären. Neu bzw. neuartig sind ausschließlich Schadensphänomene, die auf Ernährungsstörungen beruhen. In Nordamerika wurden bislang nur regionale Erhebungen durchgeführt. Dabei wurden vornehmlich ertragskundliche Parameter zugrunde gelegt.

Zur optischen Diagnose ernährungsbedingter Waldschäden dienen spezifische Verfärbungssymptome. Diese sind für Mg-, K-, P- und Mn-Mangel ausführlich beschrieben. Ca-Mangelmerkmale sind bislang nicht eindeutig geklärt. Zur exakten Beurteilung des Ernährungszustandes ist die Blattanalyse das Mittel der Wahl. Für zahlreiche Baumarten liegen hinreichend gesicherte Grenzwerte/ -bereiche vor. Elementquotienten, die mit Hilfe relativer Gehaltsangaben bezogen auf die Blatt-/Nadeltrockenmasse berechnet werden, gewähren Einblicke in die Ausgewogenheit der Nährelementversorgung. Um Verdünnungseffekte infolge gesteigerter Biomasseproduktion zu eliminieren, ist die Bestimmung absoluter Elementkonzentrationen pro Blatt/Nadel zweckmäßig. Weitere Erkenntnisse können aus dem An- bzw. Abreicherungsverhalten phloemmobiler bzw. -immobiler Elemente in verschieden alten Nadeln gewonnen werden. Die Interpretation der Gehalte 1 jähriger Nadeln wird gelegentlich dadurch erschwert, daß die übliche Begünstigung der oberen bzw. obersten Kronenpositionen bei geschädigten Bäumen nicht in allen Fällen gegeben ist. Dieses Problem, das sich vor allem bei der K-Versorgung andeutet, kann durch die Analyse älterer Nadeln des 4. bis 7. Wirteis umgangen werden. In der Regel werden die Makronährelement- und Mn-Gehalte durch die Reinigung der Nadeln nicht merklich verändert. Staubkontamination führt aber bei AI, Fe und Pb zu höheren Gehalten. Die chemische Bodenanalyse kann trotz erfolgversprechender Ansätze häufig nur Hinweise, nicht aber genaue Aussagen über die aktuelle Nährelementversorgung der Bäume bzw. Bestände liefern. Kombinierte Ernährungsstörungen sind nur mit der Blattanalyse eindeutig zu bestimmen.

Die mit Ernährungsstörungen (Nährelementmängel, -Ungleichgewichte) gekoppelten Waldschäden lassen sich in Abhängigkeit von Standortfaktoren und Bestandesbedingungen in spezifische Schadtypen einteilen. Dabei dominiert der Mg-Mangel bei Fichte auf sauren, basenarmen, aber häufig K-reichen Substraten.

Dieses Syndrom, das optisch seit Mitte der 70er Jahre in höheren Lagen der Mittelgebirge beobachtet und als Fichten-Hochlagenerkrankung oder montane Vergilbung bezeichnet wird, hat sich aus ernährungskundlicher Sicht allmählich entwickelt. Das relativ "plötzliche" weitverbreitete Auftreten der sichtbaren Symptome dieser Erkrankung seit Beginn der 80er Jahre läßt sich am ehesten mit extremen Witterungsbedingungen wie den häufigen Trockenperioden Ende der 70er/Anfang der 80er Jahre erklären. Die seit Mitte der 80er Jahre beobachteten Stagnationen im Vergilbungsfortschritt sowie die verbreitete natürliche Regeneration gelbspitziger Fichten fallen mit Jahren günstigerer Niederschlagsverhältnisse zusammen. In der Regel kommen gesunde Bäume direkt neben kranken Individuen vor. Dieses Phänomen dürfte mit klein-standörtlichen Unterschieden in der Wasserversorgung und dem Mg-Angebot sowie mit genetischen Unterschieden im Mg-Aufnahmevermögen zusammenhängen. Mg-Mangel tritt bei Fichte nur dann auf, wenn im durchwurzelten Solum Mg-Mangel herrscht. Bei unzureichendem Mg-Angebot können hohe AI +-Gehalte die Mg-Aufnahme zusätzlich behindern. Mg-Mangel ist vor allem in solchen Waldbeständen anzutreffen, die durch geringe atmogene Mg-Einträge gekennzeichnet sind.
Der Vergleich der Elementgehalte von Fichten- und Tannennadeln aus Mischbeständen Südwestdeutschlands zeigt, daß die Tanne häufig höhere P-, K-, Ca-, Mg-, Mn- und Zn-Spiegelwerte als die Fichte besitzt. Neben der besseren Tiefendurchwurzelung des Mineralbodens hat die Tanne verglichen mit der Fichte offenbar bei verschiedenen Elementen einen höheren physiologischen Bedarf. Die nadelanalytischen Grenzwerte der Fichte können deshalb nicht ohne weiteres auf die Tanne übertragen werden.

Neben zahlreichen deutschen Waldgebieten, z.B. Schwarzwald, Bayerischer Wald, Fichtelgebirge, Harz wurde die montane Vergilbung in Österreich (z.B. Böhmerwald), Frankreich (z.B. Vogesen), Belgien (z.B. Ardennen), in der DDR (z.B. Thüringer Wald), CSFR (z.B. Erzgebirge) und Polen (z.B. Isergebirge) festgestellt. Auch in Nordamerika (USA, z.B. nördliche Appalachen; Kanada, z.B. Lower Laurentians in Quebec) sind natürliche Nadelwälder (z.B. Picea rubens) und künstlich begründete Fichtenbestände (P. abies) neuerdings von Mg-Mangel betroffen, wie dies anhand historischer Nadelanalysevergleiche demonstriert wurde. Allerdings ist das Schadensausmaß in den Naturwäldern Nordamerikas weitaus geringer als in den Wirtschaftswäldern Europas. Schließlich kommt Mg-Mangel auch bei anderen Baumarten vor. Auf Standorten in tieferen Lagen ist diese Erkrankung häufig mit anderen Ernährungsstörungen wie P- und K-Mangel gekoppelt.

K-Mangel ist bei verschiedenen Baumarten ein seit langem bekanntes Phänomen und tritt natürlicherweise sowohl auf kalkreichen Mineralböden als auch auf organischen Substraten auf. Seit Beginn der 80er Jahre hat sich dieser Schadtyp räumlich ausgebreitet (z.B. süddeutsche Juragebiete, Kalkalpen, Pyrenäen, Schweizer Jura). Die Gründe hierfür sind unklar. Neu ist K-Mangel bei Fichte auf entkalkten schlufflehmreichen Böden, die sich bislang als gut mit K ausgestattet erwiesen hatten. Dieser ebenfalls seit Beginn der 80er Jahre beobachtete Schadtyp hat in Süddeutschland großflächige Schüttepilzepidemien begünstigt. Auch bei dieser Erkrankung ist die Kausalität nicht eindeutig geklärt.

Neben einseitigen Mg- oder K-Mangelsituationen kommt es auf sauren basenarmen Substraten auch zu kombinierten K- und Mg-Ernährungsstörungen. Dieser vermehrt in Mittel- und Norddeutschland (z.B. im Taunus, nordosthessischen Bergland, in der Rhön, im Saarland, Pfälzer Wald, Eifel, nordwestdeutschen Tiefland, Schleswig-Holstein) beobachtete Schadtyp ist ebenso wie reiner Mg- bzw. K-Mangel an bestimmte Standortbedingungen gebunden, wobei der chemische Bodenzustand des durchwurzelten Solums, insbesondere das Mg- und K-Angebot, die entscheidende Rolle spielt. Mg- und K- sowie kombinierter KMg-Mangel kann sowohl mit optimaler N-Versorgung als auch mit N-Mangel einhergehen. N-Mangel kann die Entwicklung typischer Mg- und K-Mangelsymptome verhindern, während gute N-Ernährung das Auftreten dieser Merkmale fördert. In Gebieten mit hohen N-Einträgen wurden bei vergilbten Fichten im Gegensatz zu der üblichen Abnahme der N-Gehalte mit dem Nadelalter gelegentlich N-Anreicherungen in älteren Trieben gemessen. Dieser neue Befund führt gerade bei Mg- oder K-Mangelbäumen zu extrem disharmonischen N:Mg- bzw. N:K-Relationen. Die Ca-Versorgung variiert bei diesen Mangeltypen zwischen unzureichender und optimaler Versorgung, ist aber bei Mg- und KMg-Unterversorgung häufig schwach. Dabei wurde als weiterer neuer Befund in süddeutschen, vor allem aber in norddeutschen Fichtenbeständen, eine Ca-Abreicherung in älteren Nadeln festgestellt.

P-Mangel ist bei Nadelbaumbeständen auf sauren basenarmen Ausgangsgesteinen, insbesondere nach vorangegangener Streunutzung, nicht neu. Kombinierter P-und Mg-Mangel überrascht deshalb unter derartigen Standortbedingungen nicht. Diese komplexe Ernährungsstörung ist hauptsächlich in Beständen tieferer und mittlerer Lagen bei erhöhten N-Eintragsraten anzutreffen. Im Gegensatz dazu sind Nadelbaumbestände mit Symptomen der montanen Vergilbung in der Regel durch gute bis sogar optimale P-Versorgung gekennzeichnet. Offenbar wird auf diesen Standorten die P-Aufnahme durch hohe AI +-Gehalte im Boden bzw. in der Bodenlösung nicht behindert. Aufgrund der überraschend guten P-Ernährung sind gravierende Wurzel- bzw. Mykorrhizaschäden als Ursache dieses Schadtyps auszuschließen. Vermutlich führen erhöhte N-Depositionsraten und verbesserte mikroklimatische Bedingungen in stärker geschädigten Beständen (erhöhte Nadelverluste m mehr Licht/Wärme auf dem Boden; geringere Evapotranspirationsverluste = mehr Wasser im Boden) zur verstärkten Mineralisierung organischer Substanz und damit zu einem verbesserten P-Angebot, wie dies veränderte Humusformen, Bodenvegetationen und erhöhte P-Spiegelwerte von Fichten auf organischen Substraten indizieren. Die meist deutlich schlechtere P-Ernährung von Mg-Mangelbäumen auf Standorten in tieferen Lagen wäre aus dieser Sicht vornehmlich auf ungünstigere Wasserversorgung aufgrund merklich geringerer Niederschläge verglichen mit Hochlagenstandorten zurückzuführen. Diese Zusammenhänge sind jedoch kaum untersucht.

Mn-Mangel kommt bei Fichte, Kiefer und Buche auf feinerdearmen sowie auf schlufflehmreichen Kalkstandorten vor. Auf dem erstgenannten Standorttyp sowie auf kalkreichen Moorböden kann Mn-Mangel in Kombination mit K- (und Fe-) Mangel auftreten. Der sichtbare Verfärbungskomplex wird dann als Kalkchlorose bezeichnet. Warum es seit Beginn der 80er Jahre zu einer Zunahme bzw. Verschärfung dieses Phänomens gekommen ist, wurde bislang nicht hinreichend erforscht. Auf Böden aus sauren basenarmen Gesteinen kann die Fichte extrem hohe sowie schwache bis sogar latent mangelhafte Mn-Spiegelwerte aufweisen. Die Mn-Ernährung wird zumindest bei dieser Baumart hauptsächlich durch die austauschbaren Mn-Bodengehalte bestimmt. Hohe Mn-Nadelgehalte werden nur auf Böden mit austauschbaren Mn-Gehalten > 0,5 bis 1,0 ueq . g-1 gefunden. Nach allen bisherigen Erfahrungen ist die Fichte als Mn-tolerant einzustufen. Für die Douglasie scheint dies nicht zu gelten.
Die S-Gehalte 1 jähriger Fichtennadeln sind ein brauchbarer Indikator für den S-Ernährungszustand der Bäume/Bestände. Neben atmogenen S-Einträgen bzw. SO2-Konzentrationen reflektieren sie primär die S-Verfügbarkeit des "Solums. Bei hohem S-Angebot wird S verstärkt aufgenommen und ohne schädigende Wirkung als Sulfat in den Nadeln gespeichert. Dabei kommt es in der Regel zu einer Akkumulation von S in den älteren Nadeln. Das S-Versorgungsniveau kann deshalb sehr exakt aus dem Verhältnis Sorg: SO4-S abgeleitet werden. Die Bestimmung von Gesamt-S ist zur Beurteilung des aktuellen S-Ernährungszustandes ausreichend. S-Gehalte 1 jähriger Nadeln < 800 µg . g-1  T.S. sind als unzureichend einzustufen. S-Gehalte zwischen 800 und 1100 (1200) µg . g-1  T.S. signalisieren ausreichende Ernährung. Im Bereich zwischen 1100 und 2000 µg . g-1 T.S. liegt optimale S-Ernährung vor. S-Spiegelwerte > 2000 µg . g-1 T.S. weisen auf anthropogene S-Belastung hin. Als Obergrenze können S-Gehalte von rund 3500 ug . g-1 T.S. in mehrjährigen Nadeln angesehen werden. S-Toxizität, außer als direkte SCU-Schäden, wurde bislang nicht beobachtet. Aus physiologischen Gründen sollte die Beurteilung des S-Ernährungszustandes immer zusammen mit der N-Versorgung erfolgen. Als optimaler N:S-Quotient gilt 13. N:S-Verhältnisse > 8 sind als unproblematisch zu erachten. N:S-Quotientenwerte < 8 weisen auf erhöhte S-Gehalte oder N- Mangel hin.
Neben den bislang genannten Schadtypen, bei deren Verursachung direkte Einwirkungen phytotoxischer Konzentrationen gasförmiger Luftschadstoffe auszuschließen sind, existieren Ernährungsstörungen auch in Waldgebieten mit subletalen SO2-, 03- und NHx -Konzentrationen.

Beispielsweise lassen sich in den Fichtenwäldern des Erzgebirges entlang von SO2-Konzentrationsgradienten Schädigungsintensitäten finden, die von direkten letalen über direkte subletale bis hin zu indirekten Wirkungen reichen und jeweils mit verschiedenen mikro- und/oder makroskopischen Symptomen verbunden sind. Mit Ausnahme von toxischen SO2-Belastungssituationen spielt dabei die jeweilige Nährelementversorgung der Bäume eine maßgebliche Rolle. Gut ernährte Bestände sind gegen derartige Einflüsse deutlich wider standsfähiger als Bäume auf Substraten mit unzureichendem Nährelementangebot. Diese Zusammenhänge sind auch durch Düngungsversuche in klassischen Randschadensgebieten gut belegt.

Mäßig bis stark O3-belastete Kiefernwälder (P. ponderosa) in den Hochlagen der San Bernadino Mountains sind durch unzureichende P-Ernährung gekennzeichnet. Da das pedogene P-Angebot teilweise als gut einzustufen ist, könnte die gehemmte P-Aufnahme mit einer O3-induzierten Verringerung der Assimilatproduktion und -Verlagerung und der daraus resultierenden Reduktion des Feinwurzelwachstums und der Mykorrhizafrequenz zusammenhängen. Die mittleren K- und Mg-Spiegelwerte der Versuchsbestände sind im Gegensatz zu der in Europa formulierten 03-Hypothese mit den vorherrschenden 03-Konzentrationen positiv korreliert. Vermutlich führen interne Translokationsprozesse bei stärker O3-geschädigten, d.h. entnadelten Bäumen, zu einer Anreicherung von K und Mg in den jüngsten Trieben. Die differenzierten Mn- und Zn-Spiegelwerte der Versuchsbestände könnten als Hinweis auf erhöhtes Kronen-Leaching gesehen werden. Insgesamt belegen die Befunde aus diesem "klassischen" O3-Schadgebiet, daß die zur Erklärung der neuartigen Waldschäden in Zentraleuropa postulierte Ozon-Kausalität im Sinne einer Primärursache nicht aufrechtzuerhalten ist.

Erhöhte NH -Immissionen können lokal zu ernährungsspezifischen Schäden an Waldbäumen führen, wie dies von Kiefernbeständen im Südosten der Niederlande bekannt ist.

Neuerdings kommt akuter Mg-Mangel auch in Wäldern vor, die weitgehend frei von anthropogenen Immissionen sind. So hat sich beispielsweise in neuseeländischen Pinus radiata-Beständen Mg-Mangel fast zeitgleich mit der Fichten-Hochlagenerkrankung in Zentraleuropa entwickelt. Die Mg-Unterversorgung dieser raschwüchsigen Baumart wurde auf bodenbürtigen Mg-Mangel zurückgeführt. Das Auslösen sichtbarer Symptome konnte mit extremen Witterungsbedingungen wie Trockenheit in Einklang gebracht werden.

Des weiteren beobachtet man Schadensphänomene in Wäldern, die von anthropogenen Immissionen kaum beeinflußt sind. Diese sind offenbar abiotisch verursacht, bislang aber nicht eindeutig geklärt. Dazu zählen die Chamaecyparis-Schäden in Südost-Alaska, das Ohia-Sterben auf Hawaii und das "Rural dieback"-Phänomen bei verschiedenen Eucalyptusarten in Südost-Australien. Die genaue Prüfung vorliegender Befunde läßt jedoch erkennen, daß Ernährungsstörungen zumindest teilweise als Ursache beteiligt sind. Da die Nährelementversorgung einen maßgeblichen Faktor bei der Beurteilung des Gesundheitszustandes von Waldbäumen und -beständen darstellt, sind Untersuchungen zum aktuellen Ernährungszustand geschädigter Bäume unerläßlich, wenn es darum geht, die Ursachen unbekannter Waldschäden herauszufinden. Dabei spielt es keine Rolle, ob möglicherweise Immissionen am Ursachenkomplex beteiligt sind oder nicht.

Zur Erklärung der tiefgreifenden Veränderungen des Ernährungszustandes vieler Waldökosysteme mit den Symptomen der neuartigen Waldschäden in Europa und Nordamerika wurden verschiedene Hypothesen formuliert. Diese lassen sich in direkte und indirekte Wirkungspfade einteilen.

Direkte Einwirkungen gasförmiger Luftschadstoffe wie SO2, NOx , NHx und 03 als Einzelfaktoren oder in Kombination mit additiver bzw. synergistischer Wirkung wurden schon früh als primär wirksame Ursachen ausgeschlossen. Da 03 eine relativ hohe Phytowirksamkeit besitzt, erscheint es jedoch nicht unwahrscheinlich, daß diesem Luftschadstoff in bestimmten Gebieten eine mitwirkende Rolle beim Zustandekommen von Walderkrankungen zukommt.

Erhöhte H- und NH4-Einträge können die Kronenauswaschung mobiler und austauschbarer Nährelemente wie Mg, Ca, K, Zn und Mn mit und ohne Vorschädigung des Blatt-/Nadelgewebes steigern. Es ist daher vorstellbar, daß dieser als Säure-Leaching bezeichnete Mechanismus bei langjähriger Belastung Ernährungsstörungen mit verursacht. Damit ist aber nur dann zu rechnen, wenn die Leaching-Raten längere Zeit über den jährlichen Aufnahmeraten liegen. Da dieser Prozeß von vielfältigen Faktoren mitbestimmt wird, ist er als monokausaler Erklärungsansatz für die neuerdings in geschädigten Wäldern beobachteten Nährelementmangelsituationen nicht geeignet.

Außer Zweifel steht, daß indirekte Wirkungen, d.h. Mechanismen und Prozesse, die zu veränderten Substratbedingungen in Waldökosystemen führen, Ernährungsstörungen auslösen können. In diesem Zusammenhang ist die "Saure Regen"-Hypothese (Bodenversauerung, Al-Toxizität) zu nennen, die von Anfang an kontrovers diskutiert wurde. Es erscheint aber plausibel, daß aufgrund beschleunigter Bodenversauerung infolge erhöhter anthropogener Säureeinträge und anderer Einflüsse saure basenarme Böden derart an Mg, Ca und/oder K verarmen, daß die aufstockenden Bestände nicht mehr ausreichend mit diesen Nährstoffen versorgt werden können und akute Mangelsituationen auftreten. Andererseits wurde gezeigt, daß viele Waldbäume tolerant gegen Al-Toxizität sind. Offenbar haben sie sich entwicklungsgeschichtlich gut an saure Substratbedingungen angepaßt und adäquate Schutzstrategien entwickelt. Dies gilt im besonderen Maße für richtig ernährte und mykorrhizierte Bäume. Bislang ließ sich die mit Hilfe von Hydrokulturversuchen für Fichte und Buche postulierte Al-Toxizität unter natürlichen Standortbedingungen nicht verifizieren.

Erhöhte N-Einträge in Waldökosysteme sind ernährungsphysiologisch differenziert zu betrachten. Verbessertes NH4-Angebot kann bei Fichte und anderen Baumarten zu reduzierter Mg- und K-Aufnahme (Mg/NH4-, K/NH4-Antagonismus) sowie zu erniedrigten Rhizosphären-pH-Werten führen, während die Anionenabsorption dadurch gesteigert wird. NO3-Ernährung wirkt entgegengesetzt. Bei hohem atmogenen N-Input ist zu beachten, daß die N-Aufnahme partiell auch über die Krone erfolgt. In der Regel fördert eine bessere N-Versorgung das Wachstum der Bäume. Daraus können Verdünnungseffekte und Nährelementungleichgewichte resultieren. Hohe N-Einträge können die Bodenversauerung vorantreiben und auf nährstoffarmen Böden eine merkliche Verschlechterung des Basenhaushaltes bewirken. Allerdings scheidet die Ammoniumhypothese schon wegen der regional und lokal stark variierenden N-Eintragsraten als Erklärungsmodell der weit verbreiteten Ernährungsstörungen aus. Zudem wirken N-Einträge in Waldökosystemen aufgrund der Standort- und bestandesspezifischen Unterschiede des N-Haushaltes sehr verschieden. Die zu erwartenden Folgen können sowohl positiv als auch negativ sein.

Die anthropogene Beeinflussung der Atmosphäre und die daraus resultierenden Stoffeinträge sind als Standortfaktor zu bewerten, wobei Veränderungen der Immissionen nach Art, Form, Menge und Verhältnis zu berücksichtigen sind. Es wurde ein Erklärungsansatz formuliert und erfolgreich getestet, in dem die Standort- und bestandesspezifischen ernährungsbedingten Waldschäden als Folge verschiedenartiger Kombinationen multipler Streßfaktoren betrachtet werden. Dabei spielt das häufig schwache Nährelementangebot der Waldstandorte, das durch vielfältige menschliche Einflüsse (Nutzungsgeschichte) mit verursacht wurde, die entscheidene Rolle. Extern verstärkte Bodenversauerung (AE-Ionenverarmung), erhöhte N-Einträge, reduzierte Mg- (und Ca-) Deposition und verstärktes Kronen-Leaching sind ökosystemare Prozesse, die diese Situation örtlich verschärfen und als mitwirkende Faktoren einzustufen sind.

Extreme Witterungsbedingungen (z.B. Trockenheit) besitzen sowohl auslösenden als auch mitwirkenden Charakter. Biotische Erkrankungen werden als Folgewirkungen eingestuft. Da die Konstellation der Kausalfaktoren in der Regel komplex ist, sich diese Einflüsse zumindest partiell gegenseitig bedingen und zudem standortspezifisch sind, können die jeweiligen Schadursachen nur am Standort selbst bestimmt werden. Globale Erklärungsansätze sind deshalb wenig sinnvoll.

Schließlich wurde mit Pfropfexperimenten die Epidemiehypothese falsifiziert. Dabei ergab sich ein interessanter ernährungsphysiologischer Aspekt. Alle erfolgreich durchgeführten Aufpfropfungen infolge von K- oder Mg-Mangel vergilbter Reiser auf gesunde, gut ernährte Unterlagenpflanzen führten nämlich zum Verschwinden der Symptome. Offenbar gelangten nach Bildung eines gemeinsamen Parenchymgewebes vermehrt K- bzw. Mg-Ionen aus den gesunden Bäumchen in die Pfropfreiser und bewirkten deren Regeneration.

Düngungsversuche sind eine klassische Methode, um Ernährungsstörungen in geschädigten Wäldern zu diagnostizieren. Mit der Applikation rasch löslicher Düngemittel läßt sich innerhalb kurzer Zeit prüfen, ob diese Schäden abgemildert oder behoben werden können. Bei Mg-Mangel ist dies mittelfristig auch durch die Anwendung Mg-haltiger Kalke möglich.

In Waldgebieten mit ernähmngsspezifischen Schäden wurden seit Beginn der 80er Jahre zahlreiche diagnostische Düngungs- und Kalkungsversuche angelegt. Sie belegen, daß Mg-, K-, KMg- und PMg-Mangelzustände bei Fichte, Tanne, Douglasie und/oder Buche durch gezielte Düngung mit rasch wirksamen Neutralsalzen schnell zu beheben sind. Diese Revitalisierung, die mit einer deutlichen Reduktion bzw. dem Verschwinden der regenerierbaren Verfärbungssymptome einhergeht, erfolgt bei jungen Bäumen innerhalb weniger Monate. Bei älteren Individuen stellen sich diese Effekte in der Regel erst nach 1 bis 3 Jahren ein. Durch diese Maßnahmen werden neben der durch Blattanalysen eindrucksvoll verifizierten Verbesserung des Ernährungszustandes auch die austauschbaren Elementgehalte im gesamten Solum erhöht. Man kann eine nachhaltige Düngewirkung erreichen, die bislang über 7 bis 8 Jahre anhält und mit gesteigertem Höhen- und Dickenwachstum einhergeht. Die ähnlich positive Wirkung kohlensaurer Mg-Kalke hängt von der Mahlfeinheit, dem Mg-Gehalt sowie der Aufwandmenge ab und tritt im Vergleich zu rasch löslichen Düngern deutlich langsamer ein.

Hohe austauschbare Al-Gehalte stark versauerter Böden sowie die daraus resultierenden extrem ungünstigen Mg/Al- bzw. Ca/Al-Relationen stellen kein Hindernis für eine erhöhte Mg-Aufnahme dar, wenn das Mg-Angebot durch Düngung verbessert wurde. In sauren basenarmen Substraten verursacht die sulfatische Düngung zumindest bei Fichte keine Feinwurzel- oder Mykorrhizaschäden, auch wenn es nach Applikationen von z.B. Kieserit aufgrund von Austauschprozessen zu einem Anstieg der Al-Gehalte in der Bodenlösung verbunden mit einer kurz-- fristigen pH-Wertabsenkung kommt. Dadurch wird jedoch keine langfristige Versauerung des Ober- oder Unterbodens bewirkt. Violmehr ist bei Mg-Mangel-bäumen nach MgSO4-Düngung aufgrund der erhöhten Mg-Sättigung mit einem verbesserten Feinwurzelwachstum im Mineralboden zu rechnen.

Kalkungen (insbesondere mit grobkörnigem Material) führen wegen der langsamen Tiefenwirkung zu einer Massierung der Feinwurzelbildung in der organischen Auflage. Dadurch wird vor allem bei Fichte die Frost-, Trockenheits- und Sturmwurfgefahr erhöht. Verstärkte Nitratbildung und dessen Verlagerung mit dem Sickerwasser sowie die Mobilisierung und Verfrachtung von Schwermetallen und Aluminium stellen weitere ökologische Risiken undifferenzierter Kalkungsmaßnahmen dar. Auf sauren K-armen Substraten kann die Applikation von Kalk die K-Aufnahme behindern und K-Mangel induzieren (K/Ca-Antagonis-mus). Um derartige Negativeffekte zu verhindern, ist eine sorgfältige Prüfung der Kalkungsbedürftigkeit aller zu behandelnden Flächen notwendig. Dabei sind neben den Boden-pH-Werten und der Humusmächtigkeit die Bestandesgeschichte, der atmogene N-Eintrag und die N-Aufnahmekapazität des Bestandes, die Schwermetallbelastung des Bodens sowie die Bodenvegetation zu berücksichtigen.

Reduziertes Feinwurzelwachstum, das bei Mg- (und K-) Mangelkoniferen auftritt, beruht wahrscheinlich auf einer veränderten Assimilatallokation. Dies hängt vermutlich mit einem durch Mg- (bzw. K-) Mangel ausgelösten Kollabieren des Phloemgewebes im Leitbündel vergilbter Nadeln zusammen, wodurch die Verlagerung von Zuckern unterbunden wird. Bei Mg- (oder K-) Mangel ist zudem die Photosynthese-Kapazität vermindert. Wird die Mg- (oder K-) Mangelsituation durch gezielte Düngung beseitigt, kommt es zur Regeneration des Phloemgewebes und damit zu einer Normalisierung der C-Allokation aus den wiederergrünten Nadeln. Dieser bemerkenswerte Effekt erklärt das verbesserte Dicken-, Höhen- und Feinwurzelwachstum gedüngter im Vergleich zu ungedüngten Mg- und K-Mangelbäumen. Die nachhaltige Beseitigung der Mangelsituation ist demnach die entscheidende Voraussetzung, um den Gesundheitszustand und das Wachstum vergilbter Bäume langfristig zu verbessern und irreversible Schäden zu vermeiden. Da akuter Mg- oder K-Mangel bei Koniferen zu sehr spezifischen Nadelschäden führt, kann man die histologische Nadelanalyse als Diagnoseinstrument einsetzen, um zwischen direkten und indirekten Schädigungen zu differenzieren; denn phytotoxische Konzentrationen gasförmiger Luftschadstoffe bewirken in Nadeln primär Schäden im substomatären Mesophyllgewebe, während das Phloem zunächst intakt bleibt. Tritt K- und Mg-Mangel bei Koniferen kombiniert auf, bleibt häufig infolge einer sehr früh einsetzenden Schädigung des Nadelgewebes die Ausbildung typischer Mangelsymptome aus, und es kommt zum Abwurf grüner Nadeln (spezifische Nadelverluste).

Mit Hilfe von Induktionsversuchen wurde gezeigt, daß die Applikation von NH4-N bei Nadelbäumen auf Mg- oder K-armen Böden Mg- bzw. K-Mangel verstärken oder sogar auslösen kann. Diese experimentellen Ergebnisse lassen sich zwanglos auf Waldökosysteme mit basenarmen Böden und anhaltend hohen NH4-N-Depositionsraten übertragen. Andererseits geht aus zahlreichen Düngungsversuchen eindeutig hervor, daß Nadel- und Laubbaumbestände selbst relativ hohe N-Zufuhr über längere Zeit hinweg ohne Schädigung überstehen und diese sogar in erhöhte Biomasseproduktion umsetzen, wenn die Versorgung mit den übrigen Nährelementen ausreichend ist. Des weiteren ist davon auszugehen, daß gesunde gutwüchsige Bestände ein gut funktionierendes adäquates Wurzelsystem besitzen. Verglichen mit weniger produktiven Kollektiven produzieren gutwüchsige Nadelbaumbestände ihre oberirdische Biomasse häufig mit einer relativ geringeren Feinwurzelmasse. Aus N-Düngungsversuchen geht weiter hervor, daß hohe N-Gehalte im Boden nur in Ausnahmefällen zu Schäden am Wurzelsystem und zu den damit in Verbindung gebrachten Vitalitätsverlusten der aufstockenden Waldbestände führen. Allerdings decken Koniferen nach N-Düngung ihren N-Bedarf nur noch zum Teil über den Umweg der energieaufwendigen Mykorrhizasymbiose, wobei die Mykorrhizabeziehung durch die N-Düngung reduziert, aber nicht völlig beseitigt wird. Unter Streßbedingungen wie Trockenheit kann die Mykorrhizafrequenz wieder ansteigen. Aus älteren Düngungsversuchen ist zudem bekannt, daß negative Effekte erhöhter N-Einträge durch gezielte Ausgleichsdüngungen weitestgehend kompensiert werden können. Die Praxiskalkungen, die seit Mitte der 80er Jahre in Deutschland zur Restabilisierung geschädigter, teilweise N-gesättigter Waldökosysteme undifferenziert auf großer Fläche durchgeführt werden, sind vor diesem Hintergrund kritisch zu prüfen.

Anhand älterer Mg-, K- und KMg-Düngungsversuche läßt sich mit Nadel-, Boden- und ertragskundlichen Analysen sowie mit der Messung des elektrischen Widerstandes im Stammkambium demonstrieren, daß die Applikation dieser Nährelemente als Neutralsalze nachhaltig wirkt, die Widerstandskraft der Bäume merklich erhöht und das Auftreten von akuten Mg- und/oder K-Mangelschäden verhindert oder zumindest deutlich reduziert. Dies gilt auch für Gebiete, die seit Jahrzehnten moderaten H-, S- und N-Einträgen ausgesetzt sind.

Auch die frühere Anwendung Mg-haltiger Kalke verbesserte die Mg-Versorgung von Fichten-(Tannen-)Beständen auf sauren basenarmen Substraten in Süd- und Norddeutschland nachhaltig. Andererseits führten reine Kalkungen mit kohlensaurem Kalk zwar zu bodenchemischen Veränderungen wie signifikant reduzierten AI-Gehalten, erhöhter Basensättigung und verbesserter Katio-nenaustauschkapazität; die Entwicklung von Mg-Mangel- oder anderen Symptomen der neuartigen Waldschäden war damit aber nicht zu verhindern.

Heute wie damals wird deshalb neben der Kalkung als Bodenmeliorationsmaßnahme eine an die Standort- und Bestandesbedürfnisse angepaßte gezielte Düngung zur Verbesserung des Ernährungszustandes und der Widerstandskraft der Bäume gegen jegliche Art von Negativeinwirkungen empfohlen. Auch wenn neuerdings in Zentraleuropa und zum Teil auch in Nordamerika Aspekte des sogenannten Boden- und Gewässerschutzes bei waldbaulichen Maßnahmen wie Kalkungen und Düngungen im Vordergrund stehen, darf das Kompartiment Baum/Bestand aufgrund seiner komplexen Wirkung im Waldökosystem nicht unberücksichtigt bleiben. Denn es wäre ein wenig erfolgsversprechender Ansatz, wollte man ein "gesundes" Waldökosystem einschließlich einer "gesunden" Hydrosphäre schaffen, ohne den Gesundheits-, d. h. den Ernährungszustand der Bäume zu optimieren.

Da die Degradation von Waldökosystemen häufig auf mehrere Ursachen zurückzuführen ist, werden Sanierungsmaßnahmen in vielen Fällen über Bodenmeliorations- und Düngungsmaßnahmen hinausgehen müssen. Derartige Eingriffe sind deshalb in ein forstwirtschaftliches Gesamtkonzept einzubinden, in dem neben ernährungs- und bodenkundlichen sowie nutzungsgeschichtlichen Gesichtspunkten auch waldbauliche, ökologische und landschaftspflegerische Ziele zu berücksichtigen sind. Immer aber müssen diese Maßnahmen an die spezifischen Standortbedingungen angepaßt werden und sind deshalb von Fall zu Fall neu zu bestimmen.